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Weckruf an die Politik: Jetzt handeln, sonst ist Klimaziel 2030 im Energiesektor gefährdet

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat heute zum Auftakt der Hannover Messe seine neue Analyse zum Kraftwerkspark in Deutschland veröffentlicht. Die Liste enthält alle in Bau befindlichen Kraftwerke sowie die genehmigten und geplanten Projekte mit einer Leistung von mehr als 20 Megawatt aus dem konventionellen und erneuerbaren Bereich.

Die Auswertung zeigt, dass sich derzeit zahlreiche Kraftwerksprojekte aufgrund der schlechten Investitionsbedingungen im Wartestand befinden. Gleichzeitig setzt sich der Trend zum Abbau gesicherter Erzeugungskapazitäten unvermindert fort, wie die Auswertung der in naher Zukunft absehbaren Stilllegungen zeigt: Immer mehr Gas- und Kohlekraftwerke, die – abgesehen von geringen Ausfallzeiten – jederzeit und wetterunabhängig Strom erzeugen können, gehen vom Netz. Der Grund: Diese Anlagen müssen altersbedingt stillgelegt werden oder ihr Betrieb ist unwirtschaftlich geworden. Entsprechend sinkt die zur Verfügung stehende gesicherte Kapazität.

Derzeit gibt es in Deutschland 52 Projekte zum Neubau von Kraftwerken. Davon sind jedoch lediglich 14 tatsächlich im Bau. Unter den weiteren geplanten Anlagen sind aber auch 22 Gas- und sechs Pumpspeicherkraftwerke. Aufgrund der aktuellen Marktsituation rechnen sich diese Kraftwerkstypen jedoch nicht, ihre Realisierung ist daher sehr fraglich.

„Die heute noch bestehenden Überkapazitäten werden in wenigen Jahren nicht nur vollständig abgebaut sein. Vielmehr laufen wir sehenden Auges spätestens im Jahr 2023 in eine Unterdeckung bei der gesicherten Leistung“, erläuterte Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung. „Dem bis 2023 zu erwartenden Zubau an Kraftwerkskapazität in Höhe von etwa 4.400 Megawatt (MW) stehen bereits absehbare und schon erfolgte Stilllegungen mit einer Kapazität von rund 18.600 MW gegenüber – ein sattes Minus.“ Damit sinkt bis 2023 die konventionelle Kraftwerkskapazität von heute knapp 90.000 MW auf 75.300 MW.

Die Bundesnetzagentur geht in ihren Prognosen davon aus, dass die höchste Stromnachfrage in Deutschland (Jahreshöchstlast) zu Beginn der 2020er Jahre bei etwa 81.800 MW liegen wird. Dieser Wert wird nur noch dadurch erreicht, dass weitere bereits zur Stilllegung angezeigte Kraftwerke nicht vom Netz genommen werden dürfen, da sie als systemrelevant für die Versorgungssicherheit eingestuft werden (ca. 6.800 MW). Es ist davon auszugehen, dass weitere Kraftwerke wegen mangelnder Rentabilität zur Stilllegung angezeigt werden. Das konkrete Potenzial technologischer Entwicklungen wie neuen Speichertechnologien oder Demand Side Management ist zudem nicht sicher vorhersehbar.

„Diese Entwicklung ist mit Blick auf die Klimaziele 2030 besorgniserregend: Weitere Kohlekraftwerke können in den 2020er Jahren nur vom Netz genommen werden, wenn CO2-arme Ersatzkapazitäten geschaffen werden. Und das heißt konkret: Die Investitionsbedingungen beispielsweise für die umweltschonende und effiziente Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) müssen verbessert werden. Diese hochsinnvolle gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme braucht neuen Schub: Erforderlich ist eine Verlängerung des KWK-Gesetzes bis 2030 und über die aktuelle Deckelung hinaus.“ Auch die Rahmenbedingungen für Energiespeicher müssten verbessert werden. Dazu gehöre insbesondere, die unsinnige Doppelbelastung für Speicher bei den Netzentgelten zu beenden. Hinzu komme: „Neue Gaskraftwerke bauen sich nicht über Nacht. Alle in den letzten Jahren fertiggestellten Kraftwerke hatten Bau- und Planungszeiten von vier bis sieben Jahren. 2023 beginnt also heute.“

Schaffe die Politik jetzt nicht zügig die Voraussetzungen zur Sicherstellung von gesicherter Leistung oder mehr Flexibilitäten, sei das Klimaziel 2030 gefährdet: „Dann wird die Politik 2027 genauso kurzatmig versuchen, eine Lücke zu schließen. Daher unser dringender Appell an die Bundesregierung: Planungssicherheit für Investoren und ein Marktdesign für gesicherte Leistung schaffen. Zudem muss der Netzausbau dringend beschleunigt werden.“

Wer dagegen verstärkt auf den Import von Strom aus unseren Nachbarländern setze, müsse wissen: „Auch im EU-Ausland wird gesicherte Leistung in Form von konventionellen Kraftwerken abgebaut. Und: Die Zeiten, in denen sehr viel Strom nachgefragt wird, sind in Mitteleuropa nahezu deckungsgleich: Ist die Stromnachfrage in Deutschland hoch, ist dies in der Regel auch in den angrenzenden Staaten der Fall. Wir können uns in solchen Phasen nicht darauf verlassen, aus diesen Ländern Strom in nennenswertem Umfang importieren zu können“, so Kapferer.

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